Es war auch schlecht vor Corona

1. MAI TROTZ CORONA – 13 UHR THEATERPLATZ WEIMAR

Der Lockdown ist mies, aber das Leben davor war auch nicht gerade der Knaller. Wenn es mal wirklich schön und lebenswert war, dann trotz dieser Gesellschaft – nicht wegen ihr. Wir wollen aber, dass es anders herum ist. Wir wollen eine Gesellschaft, in der sich nicht alle durch Konkurrenz und Gleichgültigkeit gegenseitig das Leben zur Hölle machen. Eine Gesellschaft und eine Welt, die nicht jede und jeden nur nach seiner Nützlichkeit beurteilt und in der wir uns nicht mehr fremd und feindlich gegenüberstehen. Deshalb: Heraus zum 1. Mai! Auch und erst recht, wenn die Gewerkschaftsdemo ausfällt.

Die Auflagen stehen noch nicht fest, schaut auf jeden Fall vor Freitag nochmal rein.

Nach der Thüringer Corona-Verordnung dürfen Menschen mit Erkältungssymptomen, Covid-19-Symptomen oder mit Kontakt zu infizierten Personen nicht teilnehmen.

Ausführlicher Aufruf:

Der Lockdown ist mies, aber das Leben davor war auch nicht gerade der Knaller. Von der Schule, über die Ausbildung oder die Uni bis zur Arbeit: das ganze Leben ist zu einer Kette von Pflichten, Prüfungen, Stress und Fremdbestimmung geworden. Langweiliger Unterricht, Klassenarbeiten und Hausaufgaben, die Abschlussprüfungen, dann in der Uni langweilige Vorlesungen und wieder Hausarbeiten und Prüfungen bis zur Abschlussarbeit. Und in der Ausbildung kommt noch die Arbeit dazu, die noch nicht mal richtig bezahlt wird. Und dann die Arbeit: auch nicht besser. Es geht los mit der Bezahlung und weiter mit ihrer Sinnlosigkeit. Welches wirkliche Bedürfnis erfüllen Anwälte und Buchhalter oder Luxusautos? Warum geht man jeden Tag zur Arbeit, um Lebensmittel herzustellen oder zu verkaufen, die so voll sind mit Zusatzstoffen und minderwertigen Ersatzstoffen, dass man sie eigentlich gar nicht so nennen dürfte, und die noch dazu eigentlich überhaupt nicht schmecken und zum Ausgleich vollgepumpt werden mit Zucker und Fett, hergestellt aus den Produkten einer Landwirtschaft, in der die Tiere leiden, die Insekten sterben, das Grundwasser geschädigt wird und die trotzdem mit Milliarden aus dem EU-Haushalt finanziert wird? Den Job vermiesen zusätzlich viel zu viele Aufgaben für viel zu wenig Zeit und die Konkurrenz mit den Kolleg*innen um die besten Karrierechancen. Und aussteigen darf man erst, wenn man nicht mehr dazu zu gebrauchen ist, den ganzen Unsinn mitzumachen. Dann kann man hoffen, noch einige schöne Jahre verbringen zu können, bis man im Altenheim hinvegetiert und noch möglichst viele Operationen verpasst bekommt, damit auch ja noch Geld an einem verdient werden kann, bevor man stirbt.

Diese Gesellschaft macht das Leben zu einer ziemlichen Zumutung. Die mehr oder weniger vielen schönen und wirklich glücklich machenden Momente bestätigen das nur: Wenn das Leben mal wirklich schön und lebenswert war, dann trotz dieser Gesellschaft – nicht wegen ihr. Vielleicht ist man nicht verwertbar, aber hat das Glück, trotzdem nicht arm zu sein oder hat eine andere Lücke im System gefunden oder es gönnt einem eine kurze Verschnaufpause, bevor es weiter oder erst richtig los geht. Es ist schön, sich wirklich in eine Aufgabe vertiefen zu können, sich Mühe zu geben und etwas wirklich gut zu machen. Aber wie oft kann man das wirklich? Die Schulaufgaben macht man für die Noten, die Arbeit, damit mit dem Produkt Geld verdient werden kann. Es geht nie darum, dass das Ergebnis gut ist. Es soll gerade gut genug sein, um es verkaufen zu können. Aber bloß nicht zu teuer. Also lieber alles schnell schnell. Es ist schön, sich mit Freundinnen und Freunden zu treffen oder neue Menschen kennenzulernen. Aber wie oft hat man wirklich noch die Zeit und Kraft dazu? Und was hat man sich abgesehen vom Wetter eigentlich zu erzählen, wenn man kaum etwas erlebt außer Stress und Arbeit?

Aber wie sollte es besser werden? Wer weiß denn, was gute Lebensmittel sind, wie man sie produziert oder wie viel man von ihnen braucht? Wer weiß, wie viele Pflegerinnen und Pfleger im Krankenhaus in Weimar gebraucht werden und wie die Pflege aussehen sollte? Die Beschäftigten und die Kunden wissen es – und für sie soll die Arbeit möglichst angenehm und das Ergebnis möglichst gut sein. Nicht für die Manager und Investoren, für die Krankheiten bloß ein Weg zum Profitmachen sind. Aber auch nicht die Politik, für die Gesundheit, Spaß und Freizeit genauso austauschbare bloße Regelungsgegenstände sind, bei denen es zuerst um die „Machbarkeit“ geht, also darum, dass das Ergebnis auf keinen Fall die Wirtschaft schädigen darf. Diesem angeblichen Sachzwang beugen sich auch die Gewerkschaften am Ende doch immer.

Deshalb: Heraus zum 1. Mai! Für eine Gesellschaft und eine Welt, in der wir uns nicht gegenseitig fremd und feindlich gegenüberstehen! Auch und erst recht, wenn die Gewerkschaftsdemo ausfällt.